Gegen das Vergessen

10.01.2022
Kategorie: Aktuelles
von  NGW-Redaktion/mk

Foto: NGW

 

Projekt des Neuen Gymnasiums zur NS-Euthanasie – Aufwühlender Besuch der Gedenkstätte Wehnen. 24 Schüler und Schülerinnen aus Jahrgang 11-13 nehmen an dem von Dr. Wiebke Endres und Rene Lanfer betreuten und organisierten Projekt zur NS-Euthanasie teil.

 

Aus der Wilhelmshavener Zeitung vom 10.1.2022, Seite 4

 

„Was ist der Unterschied zwischen einem Krankenhaus und einem Konzentrationslager?“ Diese Frage stellte der Historiker Dr. Ingo Harms Oberstufenschülern des Neuen Gymnasiums. Im Krankenhaus werden Menschen geheilt, im KZ getötet, lautete die einhellige Antwort. So klar könne man aber nicht unterscheiden, sagte Harms.

Der Historiker hat sich mit der Forschung zur Medizingeschichte im Dritten Reich einen Namen gemacht, wurde dafür sogar schon mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Zudem ist der Leiter der Gedenkstätte „Alte Pathologie“ in Wehnen, einem Ortsteil von Bad Zwischenahn. Und genau dort nahm er die Schüler, Teilnehmer des Geschichtsprojektes „Kinder ohne Zukunft“ in Empfang.

Was der Historiker den Gymnasiasten nach der Eingangsfrage erzählte, sei verstörend und schockierend gewesen, erinnern sich Annika Ziegler und Charlotte Bartz: Krankenhäuser im Nationalsozialismus zielten nicht nur auf die Heilung der Menschen, sie boten oft auch einen Deckmantel für grausame Verbrechen. Die Heil- und Pflegeanstalt Wehnen gehörte dazu.

Dort wurden Menschen mit mutmaßlichen Erbkrankheiten eingewiesen und Opfer medizinischer Versuche. Mutmaßlich deshalb, weil oft schon geringste psychische Auffälligkeiten ausreichten, manchmal sogar nur Armut oder Kritik an der NS-Ideologie, um entsprechend diagnostiziert zu werden. Am Ende ließen die Nazis die meisten Patienten verhungern, darunter viele Kinder – auch aus Wilhelmshaven. Mit den zumeist noch unerforschten Schicksalen dieser Kinder werden sich die Schüler in ihrem Projekt beschäftigen.

Dazu werden in den kommenden Wochen Krankenakten ausgewertet, die aus dem Archiv der Gedenkstätte stammen. Die Exkursion nach Wehnen bildetet den Auftakt des Projekts, um sich vor Ort einen Eindruck über die Geschehnisse und Schicksale machen zu können. „Es war erschütternd zu erfahren, dass es so viele Frauen, Männer und Kinder gegeben hatte, die der Willkür des Nationalsozialismus zum Opfer fielen“, so Annika Ziegler und Charlotte Bartz. „Als wir auf den Friedhof fuhren, um uns die Gedenkstätte anzusehen, wurde uns das erst wirklich bewusst. Das Gebiet, auf dem heute die Gedenkstätte liegt, ist nur ein kleiner Teil des alten Friedhofes der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen. Zu sehen, auf welch großem Bereich die Toten einfach verscharrt worden waren, ohne jegliche Erinnerung an sie, war erschreckend.“

Dass die Opfer nicht in Vergessenheit geraten und die Schüler mit der Aufarbeitung der Akten der Erinnerungskultur einen wichtigen Beitrag hinzufügen wollen, seien wichtige Ziele des Projektes. „Wir wollen aktiv dazu beitragen, dass solche Verbrechen nicht noch einmal geschehen.“

 

 

 

Stimmen zum Geschichtsprojekt

Dr. Ingo Harms: Hier sind 1500 Patienten ermordet worden – in den Jahren 1936 bis 1947. Die Tötungsmethode war die des Aushungerns. An den Folgen der Unterernährung starben die Patienten.

Dieses Projekt soll über mehrere Monate laufen. Im Laufe des Projektes werden sich die Schülerinnen und Schüler bestimmte Patienten aussuchen. Wir haben eine umfangreiche Datenbank. Und mit diesen Patientendaten wollen sie dann arbeiten. Das heißt, sie werden Krankenakten durcharbeiten und aus diesen Krankenakten sollen dann die wichtigsten Informationen herausgefiltert werden.

Die Geschehnisse im Dritten Reich sollen auf allen Ebenen für heute eine Lehre bilden. Das heißt, wir haben einen politischen Auftrag. Deshalb bezeichnen wir uns auch als politisch-historische Bildungseinrichtung, die nicht nur ihren Kopf in der Vergangenheit hat, sondern vergangene Geschehnisse benutzt, um ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Demokratie zu schaffen und zu erhalten. Und da ist es natürlich das allerwichtigste, dass wir das bei Jugendlichen und jungen Leuten machen, also bei Schülern.

Anna Ziegler (13. Jahrgang): Es ist faszinierend, weil man wirklich mal darüber redet, welche Leute betroffen waren, während man sonst in der Schule darüber redet, was grundsätzlich im Nationalsozialismus geschehen und dann geht es darum, das man über die Opfer spricht, aber nie wirklich genau sagt, wer es denn war.

Leonard Bohlen-Janßen (11. Jahrgang): Gleichermaßen geschockt und überrascht haben mich die ganzen Zahlen und wie jung manche Menschen waren.

Dr. Wiebke Endres (Studiendirektorin NGW): Ich glaube, dass diese biografische Arbeit ein ganz wichtiger Zugang ist zu einem der wohl schlimmsten Kapitel des Dritten Reiches ist – der NS-Euthanasie. Für mich ist es ganz wichtig, diese Seite mit in den Blick zu nehmen – aus einem Grund, nämlich dass so etwas nie wieder passiert.

Und dafür müssen wir die Beweggründe analysieren und erforschen, damit wir die Ansätze in der gesellschaftlichen Entwicklung frühzeitig erkennen, damit genau diese Schicksale, diese Grausamkeiten und diese Unmenschlichkeiten nie wieder vorkommen können.

 

 

 

Zur Geschichte der Gedenkstätte

Auf Initiative von Angehörigen der Patienten, die zur NS-Zeit in der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Wehnen bei Oldenburg (heute Karl-Jaspers-Klinik) ermordet wurden, gründete sich 1997 der Gedenkkreis Wehnen. Finaler Anstoß dazu war das Buch „Wat mööt wi hier smachten …“ – Hungertod und „Euthanasie“ in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen im „Dritten Reich“, des Historikers Dr. Ingo Harms, das im Jahr 1997 veröffentlicht wurde. Harms selbst gehört bis heute zum Vorstand (Vorsitzender) und wissenschaftlichen Beirat des Vereins.

In Anlehnung an den Gnadenerlass, den Adolf Hitler parallel zum Kriegsbeginn am 1. September 1939 anordnete, findet seit dem Jahr 2000 jeweils am 1. September eine Gedenkfeier in Wehnen statt.

Am 17. April 2004 konnte der Verein vor Ort seine Gedenkstätte einweihen. Sie befindet sich in einem kleinen roten Backsteinhaus, das der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen seit 1890 als Leichenhalle diente. Während der NS–Zeit und auch noch danach wurde das Gebäude als Pathologie genutzt. Als Gedenkstätte erweist sich das Gebäude längst als zu klein

Der Gedenkkreis bietet monatliche, öffentliche Führungen in der Gedenkstätte Wehnen an. Die nächste findet am 28. Januar um 16 Uhr statt. Das Thema lautet dann „ZwangsarbeiterInnen als PatientInnen und Opfer“. Um verbindliche Anmeldungen (Mindestteilnehmerzahl zehn Personen) unter Tel. 0441/9992770 oder per E-Mail an buero@gedenkkreis.de wird gebeten. Treffpunkt für alle Führungen ist die Gedenkstätte Wehnen, Hermann-Ehlers-Straße 7, in Bad Zwischenahn (Ortsteil Wehnen). Kostenfreie Parkplätze sind direkt auf dem Gelände vorhanden.


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