Geschichte aus erster Hand
von NGW.Redaktion/mk
Geschichte aus erster Hand: Zeitzeugen berichten über ihre Vergangenheit vor 70 Jahren
„Flucht, Vertreibung und Umsiedlung im Umfeld des Zweiten Weltkrieges“ – so lautet das Thema, das derzeit im Geschichtsunterricht des 11. Jahrgangs behandelt wird. Den beiden eA-Geschichtskursen bot sich die Chance, Zeitzeugen zu dieser Thematik in die Schule einzuladen. Aufmerksam gemacht durch einen WZ-Artikel vom 24.04.2016, nahmen Schülerinnen Kontakt zu Heinz Jäschke (heute 86 Jahre alt) und Karl-Heinz Ilchmann (heute 83 Jahre alt) auf, die bereitwillig und offen in einem Zeitzeugengespräch am 13.05.2016 den Schülerinnen und Schülern über ihre Erfahrungen aus der Zeit vom Frühjahr 1945 bis in die 50er Jahre berichteten, als sie aus ihrem niederschlesischen Heimatdorf Peiskersdorf in der Nähe des Eulengebirges in den Westen vertrieben wurden.
Herr Ilchmann, damals 13 Jahre alt, erinnert an den Einfall der Roten Armee in seinen Heimatort. Er berichtet über die Angst der Einwohner vor den Soldaten der Roten Armee, die plündernd und verwüstend über die Höfe der Einheimischen herfielen: Vieh wurde geschlachtet und gebraten oder lebendig abtransportiert, Wertgegenstände hemmungslos mitgenommen, Hausrat zertrümmert; insbesondere unter den Frauen und Mädchen brachen Panik und Schrecken wegen drohender Übergriffe aus. Die Einheimischen versuchten so gut es ging ihre Wertgegenstände und vor allem sich selbst zu verstecken und in Sicherheit zu bringen, einige scheuten noch nicht einmal vor Selbstmord zurück.
Auch Herr Jäschke kann sich noch gut an das Entsetzen über die Nachricht von der hohen Selbstmordrate in seinem Dorf erinnern. Nach Kriegsende werden die Höfe der beiden Familien, wie alle Höfe in den besetzten Gebieten, von der polnischen Besatzungsmacht in Besitz genommen und direkt von Polen bewirtschaftet. Beide Herren vermitteln den Schülerinnen und Schülern sehr eindrucksvoll, was für ein Gefühl es für sie und ihre Familien war, fortan nur noch als Knechte auf ihren ehemals eigenen Höfen arbeiten zu müssen.
Nach einigen Wirren und Unsicherheiten die Zukunft betreffend und in ständiger Angst vor Repressalien ereilte sie im April 1946 der Befehl, sich innerhalb weniger Stunden zum endgültigen Abtransport mit ungewissem Ziel vorzubereiten. Noch beim Besteigen der Viehwaggons und während der ersten Tage der Fahrt hatten sie größte Befürchtung, nach Sibirien verbracht zu werden, wie sie es von anderen Familien gehört hatten. Erst als sie merkten, dass es Richtung Westen ging, stellte sich eine gewisse Erleichterung ein.
Am 20. April erreichten sie Heidmühle und wurden auf unterschiedliche Orte in der Nachbarschaft verteilt. Im Rückblick bewerten sie ihre Aufnahme und die Bewältigung der ersten Monate als gut, da sie und ihre Familien nicht getrennt wurden, schnell ein Dach über dem Kopf fanden und nicht besonders hungern mussten. Herr Jäschke konnte nach einigen Jahren als Knecht auf einem Bauernhof seine schon in der Heimat begonnene Schlosserlehre beenden und Herr Ilchmann nach Schulabschluss und Ausbildung schließlich Bauingenieurwesen studieren.
Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich sehr interessiert und stellten zahlreiche Fragen, die ihnen die beiden Zeitzeugen gerne beantworteten. Beide verwiesen ausdrücklich darauf, dass es seinerzeit keine „Willkommenskultur“ im Westen gegeben habe, da fast alle Menschen mit den negativen Kriegsfolgen wie ausgebombten Wohnungen und Nahrungsmangel zu kämpfen hatten. Ihnen sei es ein großes Bedürfnis, nicht nur ihren eigenen Enkeln, sondern auch der jungen Generation insgesamt die Erlebnisse zu schildern, damit die Erinnerung an die Vertreibung aus der Heimat lebendig bleibe.
Heinz Jäschke spricht von Peiskersdorf als seinem „Zuhause“, das er inzwischen bereits acht Mal besucht habe, wohingegen Karl-Heinz Ilchmann als seine Heimat Sande nennt. Am Ende bedankten sich alle Schülerinnen und Schüler für diese einmalige und außergewöhnliche Geschichtsstunde, bei der sie Geschichte aus erster Hand erleben durften.
Text: Domanske & Ringsdorf
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